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D wie Delirium

Ganz ohne Zweifel ist das Delirium derjenige Zustand, den man als das Schlaraffenland für Künstler bezeichnen könnte, womit ich natürlich nicht die durch Drogen hervorgerufenen Delirien meine, sondern das aus vorweltlichen Zeitläufen, aus außer- oder übermenschlichen Kanälen heraufdrängende Wahnbegehren eines ungeheuerlichen Numinosen. Dieses Delirium ist ein so seltenes Geschenk, man könnte ebenso gut sagen: ein so seltener Fluch, daß es kaum jemals einem Künstler verstattet ist, in seine Tiefen hinabzutauchen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein im Delirium befindlicher Mensch zufällig auch die Anlagen eines Künstlers in sich trägt, als äußerst gering einzuschätzen, sie tendiert tatsächlich gegen Null.

Dies ist ein ganz entscheidender Grund für die fruchtlose experimentelle Geschäftigkeit unserer Künstler, für die Hohlheit und Oberflächlichkeit der von ihnen hervorgebrachten Kunst.


Quelle: "Fletcher's Zynisches Wörterbuch oder Zaungarstige Gedanken"
© Werner Fletcher
Werner Fletcher