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W wie Weihnachten

Glücklich schätzen sollten sich die Menschen, die weitab vom Äquator unsre Erde bewohnen, da sie einen richtigen Winter genießen dürfen; die Jahreszeit der anheimelnden Stille, der nach innen gerichteten Kontemplation; die Zeit, wo man die traute Geborgenheit eines Heims, eines wärmenden Kaminfeuers schätzen lernen kann, wo dem Teekessel aromatische Düfte entschweben; die Zeit einer gleichsam schwerelosen Melancholie, die poetischste aller Jahreszeiten, die Zeit des Lesens, Phantasieren, der Muße und des Nachdenkens.
Wenn da nicht die Gigantonomie und Aufgeblasenheit des alljährlichen Weihnachtsrummels wäre, des Jahrmarktes der Scheinheiligkeit, die plakative Zurschaustellung von Heuchelei und Wohlstand, das endlose Schaulaufen mit den neu erworbenen Geschenken und was nicht noch alles dazu gehört. Es ist ein Sturm ungeistigen Aufruhrs, ein Gewitter konsumorientierter Unrast inmitten winterlichen Friedens, dieses Weihnachten.


Quelle: "Fletcher's Zynisches Wörterbuch oder Zaungarstige Gedanken"
© Werner Fletcher
Werner Fletcher