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Thomas Mann. Die Romane manch anderer Autoren streben zu Novellen auseinander. Die Novellen dieses Autors drängen zum Roman zusammen.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Manier. Das Temperament ist ein guter Gaul, aber ein schlechter Reiter. In der Kunst entscheiden zuletzt andere Dinge, als Temperament. Mit Temperament kann man ein, zwei Bücher hinwerfen. Dann läßt es aus, oder, was noch schlimmer, es wird zur Manier, zum Klischee.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Rudolf Borchardt. Was Borchardt schreibt, erhebt Anspruch auf gründliches Durchdenken. Er legt den strengsten Maßstab an und nimmt ihn für sich in Anspruch. Er setzt vom Leser viel voraus, um ihm noch mehr zu geben. Ein jeder, für den die Literatur gleichbedeutend ist mit jeweiligen Neuigkeiten des Buchhandels, lasse seine Finger von ihm; er würde sie sich nur verbrennen. Man ist mit einem Schlage der landläufigen Literaturbetriebsamkeit entrückt, und gewissermaßen aus dem House of Comraons in das der Lords versetzt.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
— Man hat das Feuilleton die Unsterblichkeit eines Tages genannt, aber es ist erheblich leichter, über das Feuilleton zu witzeln, als ein lesbares zu schreiben. Dazu gehören immerhin Tugenden, die nicht alltäglich sind: Kenntnis, Sinn fürs Wesentliche, Gefühl für Form und Bau, ein musikalisches Ohr, ein Auge für Licht und Schatten und - es läßt sich nicht verschweigen - Geist, sogar Esprit, jenes Hin- und Herblitzen elektrischer Wellen, das Gegensätze aufleuchten läßt und durch den Funkspruch des Einfalls verbindet. Zum Journalisten muß man geboren sein; man braucht deshalb noch nicht einmal einer zu werden.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Land der Prosa. Frankreich ist das klassische Land der Prosa, das Land, in welchem die Prosa klassisch geworden ist. Alles, was irgendwie in die Prosa einschlägt, hat Tradition und Feinheit (Briefe, Memoiren). Was sich vom Grand Siede am besten gehalten hat und heute noch ohne weiteres Genuß bereitet, ist seine Prosa. Eine Erzählung wie die Princesse de Clèves ist in ihrer Art von zeitloser Vollendung.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Übersetzungen. Am Anfang germanischer Literatur steht eine Übersetzung: Ulfila; am Anfang neuhochdeutscher Prosa steht wieder eine Übersetzung: Luthers Bibel. Ohne Vossens Homer kein Hermann und Dorothea; und was Schlegels Shakespeare rein sprachschaffend bedeutet, ist nicht abzumessen.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Niederlage. Mir fällt immer wieder der Anfang von der Sage vom Grafen Hubert von Calw bei den Brüdern Grimm ein: »Den trieb sein Gewissen, und er sprach zu seiner Gemahlin: Nun ist vonnöten, daß ich auch lerne, was Armut heißt, wo fern ich nicht ganz soll zugrunde gehn.« Das ist unser Los, seien wir froh darum.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955