Insgesamt finden sich 76 Texte im Archiv.
Es werden maximal 7 Texte, täglich wechselnd, angezeigt.
Genialität. Es gibt eine höchste erarbeitete Kongruenz von Form und Gehalt, die Genialität vortäuscht; Beispiele Vergil, Racine. Aber beim Genie sind Form und Gehalt nicht kongruent, sondern identisch, und nicht erarbeitet, sondern intuiert. Wie die römische, ist die französische Literatur zwar höchst talentiert, aber typisch ungenial; während es eine typisch geniale Literatur ebensowenig geben kann, wie ein typisch geniales Individuum. Genialität schließt das Typische aus, fällt aus dem Typischen heraus.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
- Mag die Leidenschaft noch so wild sein, mit der ein Buch hingewühlt ward, die letzte Hand muß der Dichter in Stunden anlegen, wo seine Seele ruhig und heiter ist; sonst bekommen wir fraglos ein menschliches Dokument, aber ein fragwürdiges Kunstwerk.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Wagner. Allerdings ist die Ermüdung eine wesentliche Voraussetzung der Wagner’schen Kunst; sie entwickelt die Fähigkeit, durch Klangwogen hypnotisiert zu werden.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Salonliteratur. Diese Literatur ist nie einsam. Immer gesellig, immer unterhaltend. »Schweigen ist schöner als reden« (Justus Moser) ist der Gegenpol des Französischen. Alles Salon. Salonphilosophie. Selbst der Garten eine Fortsetzung des Salons (die große italienische Gartenkunst entartet in Frankreich zur Niedlichkeit, zur Spielerei). Musiquette, um mit Offenbach zu sprechen. Nie ohne Publikum.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Genie. Alle Vollender sind Sackgassen. Ein Genie scheint die endgültige Form gefunden zu haben, aber wenn es stirbt, zeigt es sich, daß es allein sie ausfüllte und kein anderer mit ihr etwas anfangen kann.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Für heute! Der Kritiker, nicht der Literarhistoriker, hat es mit den Lebenden zu tun; er will wirken, auf den Autor, auf das Publikum; darum wird er oft zum Polemiker, zum Pamphletisten. Lebendiges kann nicht mit den Augen des Historikers gesehen werden, ohne daß sich die Horizonte verschieben, die Linien verwischen, die Entfernungen verzerren, die Dimensionen verfälschen.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955
Wandern. Das zaubervoll Überraschende des Wanderns: Unser Unbewußtes schickt gleichsam fünf Dutzend Einfälle voraus, von denen jeder an seinem bestimmten Punkt des Weges uns plötzlich anspricht.
Quelle: "Form ist alles. Aphorismen." Ausgewählt von Ralph Rainer Wuthenow. R. Piper-Verlag, München - 1955