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Christian Morgenstern

* 06.05.1871 - † 31.03.1914

Illustration mit dem Titel: Ein Künstler
"Ein Künstler"
Illustration von © Michael Blümel

Zitate von Christian Morgenstern

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Aus stillen Fenstern

Wie oft wirst Du gesehn
Aus stillen Fenstern,
Von denen du nichts weißt…
Durch wieviel Menschengeist
Magst du gespenstern,
Nur so im Gehn…


Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", sprach der gute Mann,
des Werwolfs, Genetiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ wie mans nennt.
den Wenwolf, - damit hats ein End."

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, dass er er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbe es in großer Schar,
doch "Wer" gäbe es nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja noch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
schied er dankend und ergeben.


Es ist eine Kunst für sich, einen Brief zur rechten Zeit ankommen zu lassen. Man vergisst ihrer gewöhnlich. Und doch wie oft ein intimes, beschauliches Gespräch am Morgen keine Hörer an uns fände, so mutet uns ein Brief morgens und abends anders an.


Ich habe nur einen wahren und wirklichen Feind auf Erden, und das bin ich selbst.


Wer das Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben.


Glück? Sollst du Glück haben? Wünsche ich dir auch nur eine Spur von Glück wenn sie nicht deinen Wert erhöhte? Wert wünsche ich dir.


Man sieht oft etwas hundertmal, tausendmal, ehe man es zum ersten Male wirklich sieht.


Man sollte sich seiner Krankheiten schämen und freuen, denn sie sind nichts anderes als auszutragende Verschuldung.


Jede Krankheit hat ihren besonderen Sinn, denn jede Krankheit ist eine Reinigung, man muß nur herausbekommen, wovon. Es gibt darüber sichere Aufschlüsse, aber die Menschen ziehen es vor, über hunderte und tausende fremder Angelegenheiten zu lesen und zu denken. Sie wollen die tiefen Hieroglyphen ihrer Krankheit nicht lesen lernen.


Auch du bist fremd

Auch du bist fremd und feind den großen Worten.
Sie haben uns zu oft betrogen.
Wir haben selbst damit zu oft gelogen;
Vielleicht nicht wollend, doch zu allen Orten.
 
Schmerzlich mißtrauend jenen blinden Räuschen,
Die Menschen treiben, Menschen anzuhangen,
Umfangen unsre Seelen sich voll Bangen
Und zittern, sich noch einmal zu enttäuschen.


Es gibt nichts Schwereres, als einen Menschen, den man liebt, einen Weg gehen lassen zu müssen, der zur nächsten Stadt führt, statt auf den nächsten Gipfel.


Ihr anderen werdet sicherer immerdar.
Ich werde fragender von Jahr zu Jahr.