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Rainer Maria Rilke

* 04.12.1875 - † 29.12.1926


Zitate von Rainer Maria Rilke

Insgesamt finden sich 175 Texte im Archiv.
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Die Nacht ist wie ein großes Haus.
Und mit der Angst der wunden Hände
reißen sie Türen in die Wände -
dann kommen Gänge ohne Ende,
und nirgends ist ein Tor hinaus.


Liebeslied

Wie soll ich meine Seele halten,
daß sie nicht an deine rührt?
Wie soll ich sie hinheben
über dich
zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie
bei irgendwas Verlorenem
im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle,
die nicht weiterschwingt,
wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles,
was uns anrührt,
dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
Oh - süßes Lied …


Menschen bei Nacht

Die Nächte sind nicht für die Menge gemacht.
Von deinem Nachbar trennt dich die Nacht,
und du sollst ihn nicht suchen trotzdem.
Und machst du nachts deine Stube licht,
um Menschen zu schauen ins Angesicht,
so mußt du bedenken: wem.

Die Menschen sind furchtbar vom Licht entstellt,
das von ihren Gesichtern träuft,
und haben sie nachts sich zusammengesellt,
so schaust du eine wankende Welt
durcheinandergehäuft.
Auf ihren Stirnen hat gelber Schein
alle Gedanken verdrängt,
in ihren Blicken flackert der Wein,
an ihren Händen hängt
die schwere Gebärde, mit der sie sich
bei ihren Gesprächen verstehn;
und dabei sagen sie: Ich und Ich
und meinen: Irgendwen.


Ob auch die Stunden uns wieder entfernen ...
wir sind immer zusammen im Traum,
wie unter einem aufblühendem Baum.
Wir werden die Worte, die laut sind, verlernen
und von uns reden wie Sterne von Sternen.
Alle lauten Worte verlernen,
wie unter einem aufblühenden Baum.


Von einem Unverheirateten erwartet man nicht, daß er glücklich ist. Wenn er heiratet, sind die Menschen erstaunt, daß er es nicht ist.


Irgendwo blüht die Blume des Abschieds und streut immerfort Blütenstaub, den wir atmen, herüber; auch noch im kommenden Winter atmen wir Abschied.


Der Panther
(Im Jardin des Plantes, Paris)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.


Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit, in der die Welten weite Wege reisen, mir ist: Ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit und will hinauf und will mit ihnen kreisen...
Und das ist Seele.


Wenn der Alltag dir arm erscheint, klage ihn nicht an - klage dich an, daß du nicht stark genug bist, seine Reichtümer zu rufen, denn für den Schaffenden gibt es keine Armut.


Niemals bin ich allein. Viele, die vor mir lebten Und fort von mir strebten, Webten, webten An meinem Sein.