Jens Schiermann Jahrgang 1944. Mehrere unvollendete Lehrjahre (Dekorateur, Maschinenschlosser), dann Bundeswehrzeit (mit anschließender Kriegsdienstverweigerung) und abgeschlossenem Studium (Diplom-Designer).
Nach mehrjähriger Berufstätigkeit als angestellter und freier Grafiker Studium der Psychologie (Diplom-Psychologe, Dr. phil.) mit den Schwerpunkten Zwischenmenschliche Kommunikation und Kognitive Psychologie.Als Selbständiger tätig in der Wirtschaft als Kommunikations- und Konflikttrainer und Berater von Führungskräften.
1990 Eröffnung eines Fotostudios in Hamburg als Fotograf zusammen mit meiner Frau (als Food-Journalistin); Arbeitsbereich: Konzept und Realisation für redaktionelle Beiträge in Frauenzeitschriften und Produktion diverser Kochbücher; Produktion von Büchern, Sonderheften und Beilagen für mehrere Verlage wie Gruner & Jahr, Bertelsmann, Bastei, Springer, usw.
Seit etwa 2007 Sammler und Schreiber eigener Gedanken.
Zitate von Jens Schiermann
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Verfrüht. Es gibt Menschen, die glauben, irgendwann die letzte Wahrheit zu finden. Doch sie übersehen dabei: vor dem Fund gilt es, am rechten Ort und zur rechten Zeit die Suche einzuleiten.
Differenzen. Es scheint so, als wenn das menschliche Gehirn bei der Verarbeitung der Informationen, die es von den Wahrnehmungsorganen erhält, im Wesentlichen auf der Basis zweier Prinzipien arbeitet: Differenzierung und Relativierung – Unterschied und Größe. Alles weitere ist nur Interpretation und Spekulation im Modell dieser Welt und hat weder mit Wahrheit noch Realität zu tun.
Sünde? Selig sind die Faulen und die Fortschrittsverächter, denn sie schützen und bewahren diese Welt. Verdammnis über die fleißigen Erfolgreichen mit ihren Besitz ergreifenden Ideen, denn sie verderben und beuten unsere Umwelt aus.
Psyche und Physis. Die Antennen des Empfindsamen sind auf Eindrücke ausgerichtet, der Empfindliche ist auf Verteidigung gepolt; und gibt sich gern empfindsam.
Handels-Massen. Der Handel hat es längst erkannt: die Verlockung des augenblicklichen Schnäppchens nötigt zum hemmungslosen Konsum. Geiz ist ökonomisch nur deswegen geil, weil die geizigen Jäger, an ihrem schnäppchenorientierten Selbstwertgefühl gepackt, im Rausch der Habgier fieberhaft öfter und mehr Dinge kaufen, bei denen in Folge gerade deswegen die Gewinnspannen immer größer werden. So wird die Wirkung zur Ursache: noch mehr billige Produkte und damit Abfall produzieren; und der Profit steigt. Die qualitätsbewussten Wenigkäufer sind dagegen ökonomische Problemfälle, an denen nicht genug zu verdienen ist; sie kaufen zwar gut und preisadäquat (auch teuer), aber zu selten und zu wenig; das Zeug hält zu lange. Billige Masse und schnelle Mode machen den umsatzrelevanten Konsum, nicht der angemessene Preis für gute Ware. Der naive Modebewusste kreierte ehemals mit Ungeduld und konzentrierter Bürstenbehandlung die verwaschene statuslöcherige Jeans; aufgeklärte Modernisten kaufen diese heute haufenweise billig neu mit lappigen, ausgefransten Lochflicken; öfter mal was Neues.
Expertisen. Der Laie beurteilt die ihm zur Wahl stehenden Experten - wie Ärzte, Anwälte oder Architekten - nach Empfehlung, persönlicher Sympathie und beruflichem Erfolg. Sympathie stellt sich ein - oder nicht. Der Erfolg ist da schwerer zu beurteilen bevor die Arbeit geleistet ist, doch wer tüchtig auftritt, wird auch entsprechend beurteilt. Aber ist der Patient gesundet durch Selbstheilung oder durch die ärztliche Kunst? Wer will dem Arzt widersprechen, wenn er diese Leistung für sich in Anspruch nimmt? Bleibt also nur eine Empfehlung eines anderen, der auch nicht mehr weiß. Merke: Nicht jede überzeugende Persönlichkeit leistet auch eine solche Arbeit.
Praxisorientiert. Der therapeutisch tätige Psychologe bemüht sich, die verallgemeinerten (theoretischen) Erkenntnisse der Forschung am Individuum anzuwenden und in seine Alltäglichkeit zu transferieren.
Zeitungszuflucht. Die Beliebtheit traditionell fenstergroßer Formate „gewichtiger“ Printmedien lassen sich in diesen Zeiten der Minimierung glaubhaft nur mit dem übermäßigen Schutzbedürfnis ihrer Leser erklären.
Bibelfest? Die Stärke des Glaubens an die Wahrheit einer Ansicht sagt nichts über deren objektiven Wahrheitsgehalt aus, sondern lediglich über die Intensität des Glaubens an eben diese Wahrheit.
Das Schätzchen-Lüge-Syndrom. Aggressionen sind - abgesehen von einigen gesellschaftlich „erlaubten“ Handlungsweisen, die beispielsweise der Karrieresicherung oder der juristischen Verfolgung vermeintlicher Rechte dienen - negativ besetzt und sozial unerwünscht; ihre gesellschaftliche Ausübung gilt als unmoralisch und wird, exzessiv betrieben, unter Strafe gestellt. Und schon im Ansatz werden als aggressiv verdächtige Empfindungen von moralisch empfindsamen Menschen oft kompensiert durch besondere Zuwendung, erkennbar übertriebenes, der Situation und Person unangemessenes Verhalten - besonders herzlich und scheinbar liebevoll. Am Anderen soll das real „wieder gut gemacht“ werden, was man ihm nur in Gedanken in Form antipathischer, aggressiver Gefühle angetan hat. Übertriebene Freundlichkeit dient oft nicht nur der Abwehr von Ängsten anderen gegenüber, sondern – als Selbstlüge - auch und im Besonderen der Aufrechterhaltung des positiven Selbstbildes eines „guten“ Menschen. So wird um des eigenen seelischen Friedens Willen spontane Verärgerung zum lapidar abwiegelnden „das-macht-doch-nichts, Schätzchen“-Kommentar, und Miss-gunst tarnt sich mit der Maske der Großzügigkeit: „Das gönne ich dir nun aber wirklich!“ Der haarspaltereiverdächtige Analyst fragt sich hier ob dieser starken Betonung: Wurde vielleicht dieses und anderes bisher missgönnt? Und: macht das nicht doch was?
Der erfolgreiche Umgang mit Computern ist keine Frage der Intelligenz und des Lebensalters, sondern eine Funktion von Konzentration und - vor allem - Zeit. Wie beim Angeln: je länger man aushält, desto größer der Fang.
Ungeil. Geiz ist nicht geil, sondern verschobene existentielle Lebensangst; und erzeugt defizitäres Sozialverhalten. Die Angst zu verarmen an Geld und Liebe, und dadurch zu Grunde zu gehen – sie bewirkt das Unsoziale im Geizigen: dem Anderen nichts gönnen, denn was der heute bekommt, wird mir morgen fehlen.
Charakter. Wen es in dieser beflissenen in-people-society nicht zur Demonstration seiner individuellen Originalität drängt der muss wahrhaftig eine starke, originelle Persönlichkeit besitzen.
Taktisch versiert. Man(n) kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Frauen in Gesellschaft dazu tendieren, Männer entweder konkurrent zu erobern, oder sich solidarisch gegen sie zu verbünden.
Egoseelsorge. Mit freundlichem Gebaren und Mitleidsbekundungen gefällt man sich, erweisen letztere sich auch oft nur als rührselig-sentimentale Lippenbekenntnisse; da klopfen sich Freundlichkeit und Mitleid auf die eigene Schulter und nähren das edle humanistische Selbstbild.
Symbiotisches. Das plakative Beispiel erfolgreicher Symbiose im Tierreich bringt uns zum Schmunzeln: dieser kleine putzige Vogel reinigt dem geduldig - fast zärtlich besorgt - das riesige Maul weit aufsperrenden Krokodil das Furcht erregende Gebiss; und wird offensichtlich satt dabei. Im Tierreich wird das Ungleichgewicht der Kräfte in einer spezifischen Situation – und nur in dieser - „außer Kraft“ gesetzt. Und zum beiderseitigen Vorteil verbünden sich die Akteure, um sich nach gelungener Veranstaltung wieder zu trennen. Gern wird dieses schöne Bild vermuteter Harmonie auch auf zwischenmenschliche Beziehungen projiziert. Doch selten ergibt sich zwischenmenschlich die konstruktive symbiotische Voraussetzung der zeitlich begrenzten freiwilligen, nutzbringenden Abhängigkeit. Nur das Erkennen gemeinsamer Interessen ergibt noch keine Symbiose. Postulierte Seelengemeinschaft von sozial stark differierenden Individuen führen – zwanghaft fixiert – in die Unfähigkeit, die einstmals erwünschte enge Verbindung zu lösen Im Unterschied zu tierlichen Symbiosen ist sich der stärkere Partner in menschlichen Beziehungen seiner Stärke bewusst, so dass sich statt einer partnerschaftlichen eine komplementär Beziehung ergibt, in der einer den anderen dominiert. Aber eine für beide erfolgreiche Symbiose ist nur unter Gleichberechtigten möglich.
Zwangsläufig. Wer sich weniger an Qualitäten und Werten, als vielmehr an Preisen, Schnäppchen und den kleinbürgerlichen Tugenden des Philisters - wie Pfennigfuchserei (Schnäppchenjagd), Geiz (einseitige Preisorientierung), Wegwerfkonsum (Kaufrausch) - orientiert, muss damit rechnen, für eben einen solchen gehalten zu werden.
Vermögenswillen. Das Können und Wollen des disziplinierten Nachdenkens: Einige wollen, aber können es nicht, andere könnten, aber wollen nicht. Die Masse will nicht und kann nicht. Und Wenige nur können und wollen - sie tun es; wer diese Wenigen sind? Da müsste man drüber nachdenken - wenn man kann und will.
Charakterfrage. Genotypisch starke Charaktere brauchen weder Macht noch Reichtum für ein gutes Leben; sie haben beides. Phänotypisch starke Charaktere brauchen sowohl Macht als auch Reichtum für ein gutes Leben; die Frage ist nur, ob ihr Versuch gelingt.
Tiefenwirkung. Die Wirkung, die wohl das Lesen in der Bibel auf viele Menschen ausübt, erschließt sich mir bei Lichtenberg, Nietzsche, Davila und Konsorten: mich durchströmt bei der Lektüre ein warmes Gefühl des tieferen Verstehens.
En vogue? Wenn man ihn zu Gast hatte, schaute er unter die Teller, um festzustellen, ob sie den „richtigen“ Stempel hatten und musterte die Flaschenetiketten, um zu wissen, ob der Wein ihm schmeckte.
Vorbeugung. Mitleid mit anderen zu bekunden dient auch dem Zweck, Anspruch und Anwartschaft auf die Hilfe anderer für den Zeitpunkt zu sichern, an dem wir selbst dieser bedürftig werden.
Begrenzte Selbsterkenntnis. „Die Welt ist meine Vorstellung“, sagte Schopenhauer, und Kants Ding an sich existiert nicht in der Realität. Gibt es nur mich und meine Vorstellung von der Welt? Aber auch ich bin Teil dieser Welt; also: auch ich bin meine Vorstellung. Wenn die Welt (der ich angehöre) mir nur in meiner Vorstellung zugänglich ist, ist meine Erkenntnisfähigkeit auf den Bereich meiner Vorstellungen begrenzt. Wie kann ich dann jemals mehr von mir und der Welt als meine Vorstellung von mir und der Welt erkennen?
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