Apho Logo


Herbert Wehner

* 11.07.1906 - 19.01.1990


Herbert Wehner kam am 11. Juli 1906 in Dresden als Sohn des Facharbeiters Richard Wehner und seiner Frau Antonie, geb. Diener, zur Welt. Er wuchs - mit einer etwa vierjährigen Unterbrechung, die die Familie ins Erzgebirge führte - im Dresdner Stadtteil Striesen auf. Wehner besuchte die Realschule und machte eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten. In den zwanziger Jahren war er zunächst in der SPD-Jugendorganisation aktiv, trat dort jedoch 1923 aus und schloss sich der Anarchistischen Jugend an. Für eine kurze Zeit war er in Berlin Privatsekretär des anarchistischen Schriftstellers Erich Mühsam, mit dem er sich jedoch bald überwarf.

Herbert Wehner kehrte nach Dresden zurück, trat 1927 der KPD bei und übernahm schnell wichtige Funktionen, unter anderem ab 1928 als Bezirkssekretär der Roten Hilfe, von 1930 bis 1931 als Abgeordneter im Sächsischen Landtag und ab 1932, als Technischer Sekretär des Politbüros in Berlin. Im Kampf gegen die NS-Diktatur wirkte er unter anderem in Berlin, im Saarland, in Prag und Paris. 1937 wurde Wehner nach Moskau beordert, um politische Differenzen zwischen ihm und der KPD-Führung zu klären, in der schon damals der spätere SED-Chef Walter Ulbricht den Ton angab. Während des Untersuchungsverfahrens, zur Zeit der stalinistischen Säuberungen, wurde Wehner mehrfach verhört, und er konnte sich aus diesen Verstrickungen nur mit Mühe und Not retten.

1941 bekam Herbert Wehner einen Auftrag, der ihn nach Schweden führte. Von dort aus sollte er den Wiederaufbau der kommunistischen Parteiarbeit in Deutschland organisieren. Aber schon 1942 wurde er von der schwedischen Polizei verhaftet und wegen angeblicher Spionage für die Sowjetunion zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die KPD schloss ihn, unter dem falschen Vorwurf, er sei ein Verräter, aus ihren Reihen aus. Während der Haft und während seines weiteren Aufenthalts in Schweden bis zum Jahre 1946 setzte Wehner sich mit seiner Vergangenheit, den Fehlern der Arbeiterbewegung und der Schuld, die das deutsche Volk auf sich geladen hatte, auseinander. Es entstanden die Schrift "Selbstbesinnung und Selbstkritik" sowie die "Notizen". Ein Ergebnis dieses Prozesses war der Beitritt zur SPD, die über genügend Toleranz und Weitsicht verfügte, auch ehemalige Kommunisten an ihrem Neuaufbau zu beteiligen.

Hamburger SPD ein neues Betätigungsfeld auf. Er war aktiv in der SPD-Betriebsgruppenarbeit, führte dort die Auseinandersetzung mit den Kommunisten und wurde Redakteur der SPD-Zeitung "Hamburger Echo". Der Parteivorsitzende Kurt Schumacher wurde auf Wehner aufmerksam und bewegte ihn zur Kandidatur für den ersten Deutschen Bundestag. Der gebürtige Dresdner übernahm 1949 den Vorsitz im Bundestagsausschuss für gesamtdeutsche Fragen und behielt diese Funktion bis 1966. Von 1966 bis 1969 war er Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. Für seine Heimat tat er von Bonn aus soviel er konnte. "Für mich ist Dresden die Stadt und meine sächsische Heimat das Erlebnis und der Quell nicht nur vieler Erinnerungen, sondern auch vieler, das ganze Leben hindurch bewahrter Bindungen", sagte Wehner 1969. Als deutschlandpolitischer Spitzenpolitiker der SPD bemühte er sich mit seiner Partei immer wieder, den vier Siegermächten Verhandlungslösungen der deutschen Frage aufzuzeigen. Nach dem endgültigen Scheitern dieser Versuche ging es ihm vor allem darum, die Folgen der Teilung für die Menschen zu mildern. Menschliche Erleichterungen sollten die Voraussetzungen für eine Wiedervereinigung auf lange Sicht verbessern. Unablässig bemühte er sich um die Freilassung von Häftlingen. Viele Menschen haben ihm ihre Freiheit zu verdanken.

Der SPD-Politiker Herbert Wehner war ein großer Stratege und Taktiker. In seiner Zeit als stellvertretender Parteivorsitzender (1958 bis 1973) war er es, der die Parteiorganisation umbaute und die SPD auf die Regierungsverantwortung vorbereitete. Wehner trug zur Durchsetzung des Godesberger Programms bei, bekannte sich 1960 in einer Aufsehen erregenden Bundestagsrede zur Westbindung der Bundesrepublik und ebnete so den Weg zur Koalitionsfähigkeit der SPD, zunächst in der Großen Koalition mit der CDU (1966-1969) und dann in der sozialliberalen Koalition unter den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. In der Regierung der Großen Koalition war Wehner der starke Mann, der den Zusammenhalt garantierte. Als SPD-Fraktionsvorsitzender von 1969 bis 1983 sorgte "Onkel Herbert" dafür, dass die Abgeordneten ein ums andere Mal, bis zuletzt, hinter ihrer Regierung standen. Angesichts zeitweise knapper Mehrheiten kein leichtes Unterfangen. Dabei konnte er oft hart sein, manchmal auch verletzend. Für ihn war die Politik kein Spiel, sondern der Ernstfall, bei dem es um Menschen ging. Wehner war über 33 Jahre hinweg einer der fleißigsten Parlamentarier und ein gefürchteter, scharfzüngiger Debattenredner. Als er nach der Bundestagswahl 1983 aus dem Parlament ausschied, war nicht allein für die deutsche Sozialdemokratie eine Ära zu Ende gegangen.

Als Herbert Wehner sich 1983 aus der aktiven Politik zurückzog, war er gesundheitlich am Ende seiner Kräfte. Sehr bald machte sich eine Demenzerkrankung bemerkbar, die zunehmend sein Bewusstsein trübte. Als er 1986 mit seiner Frau Greta zum letzten Mal seine Heimatstadt Dresden besuchte, gab es nur wenige lichte Momente der Erinnerung. Wehner starb am 19. Januar 1990. Den Fall der Berliner Mauer hat er nicht mehr bewusst miterleben können.

Herbert Wehner war zeitlebens und nach seinem Tode scharfen Angriffen von politischen Gegnern und Sensationsjournalisten ausgesetzt. Er ist kein einfaches Vorbild. Ungebrochene Helden und Heldinnen gibt es jedoch nicht. Sie sind zurechtgebogene Wunschbilder; die Wirklichkeit ist komplizierter. Wehner hat die politischen, ideologischen wie menschlichen Wege und Irrwege des 20. Jahrhunderts miterlebt und miterlitten - und dabei auch Fehler begangen. Viele Menschen haben sich nach den Erfahrungen mit den Diktaturen enttäuscht von der Politik abgewandt. Nicht so Herbert Wehner: Er hat seine Erfahrungen für den Aufbau der zweiten deutschen Demokratie zur Verfügung gestellt und Verantwortung für das Gemeinwesen übernommen. Was er beitragen wollte, hat er 1964 so zusammengefasst: "Helfen. Und arbeiten und nicht verzweifeln. Und auch die skeptischen Leute die Erfahrung erleben lassen, dass es mit Ehrlichkeit geht."

zur Verfügung gestellt vom Herbert-Wehner-Bildungswerk.


Zitate von Herbert Wehner

Insgesamt finden sich 92 Texte im Archiv.
Es werden maximal 7 Texte, täglich wechselnd, angezeigt.

Wir müssen vor der breiten Öffentlichkeit als Partei unter Beweis stellen, dass wir eine allgemeine Ordnung anstreben - darunter verstehe ich den eigentlichen Bereich der Politik -, die keine Schicht und keine Gruppe der Bevölkerung mehr benachteiligt.


Unsere Sache ist es, den betriebstätigen Menschen zum Bewusstsein zu bringen und im Bewusstsein zu erhalten, immer neue Erfahrungen dazu zu verwerten, dass wir es in der SPD mit der Partei zu tun haben, die ihnen reinen Wein einschenkt und die sie nicht verschaukelt oder verkohlt.


Uns Sozialdemokraten erscheint es als im Lebensinteresse unseres Volkes liegend, dass es auch im Zustand der staatlichen Trennung von uns nicht nur angesehen, sondern miterlebt wird als dennoch eine Nation.


Natürlich gibt es in dieser Gesellschaft Klassen, und dennoch nenne ich sie nicht eine Klassengesellschaft. Das ist keine Gesellschaft, in der die Zugehörigkeit zu dem, was man soziologisch eine Klasse nennt, das Ausschließen oder das Privilegiertsein bei der Regelung der politischen Angelegenheiten unseres Gemeinwesens und gesellschaftlicher Reformbemühungen bedeutet.


Ohne arbeitsfähige politische Parteien gibt es keinen Staat, der dem Volk Bewegungsfreiheit und Luft zum Atmen lässt. Aber eben deshalb ist es notwendig, festzustellen, dass unsere politischen Parteien der öffentlichen Kritik bedürfen, damit sie selbst den Forderungen der Stunde gerecht werden können.


Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, alles, auch das Leben, dafür einzusetzen, damit wir in Deutschland endlich die Übereinstimmung zwischen freiheitlich demokratischer Staatsordnung und der sozialen Gleichberechtigung aller Menschen sichern.


Vieles an unserer gemeinsamen Aufbauleistung ist sicher beispielhaft, weil wir eine erfolgreiche Verständigungspolitik betreiben (...), weil unser Land über eine außerordentlich hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, weil unser dicht geknüpftes Netz der sozialen Sicherheit zu einer einzigartigen sozialen Stabilität geführt hat, weil wir eine konsequente Politik stetiger Reform betreiben, weil wir es mit innergesellschaftlicher Solidarität und realer Freiheit des einzelnen ernst meinen.