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L wie Lüge

Der Begriff der Lüge muß neu definiert werden.
Auch wenn ein Mensch nicht die Unwahrheit sagen will, lügt er meistens; ja, nahezu alles, was er von sich gibt, ist Lüge. Man könnte den Menschen sogar als das ‚lügende Tier’ bezeichnen, denn durch die Lüge unterscheidet er sich wie in nichts anderem von seinen tierischen Mitgeschöpfen.
Unsere gegenwärtige Weltordnung besteht aus einem Geflecht von Lügen, von dem sie so leidlich zusammengehalten wird, aber die Wahrheit dengelt schon heimlich ihre Sense, und irgendwann wird sie zum Hieb ausholen und in dieses Netz hauen, und es wird ihr nicht mehr Widerstand bieten können als ein Spinnennetz einer heranfliegenden Kartätsche. Dann werden all die kleinen und großen Lügen zerbröseln, in Nichtigkeit zergehen, all die schillernden, von zahllosen Lügenmäulern herausgerülpsten Seifenblasen der Verlogenheiten zerplatzen. Zum Beispiel die Verlogenheit der Wissenschaft, oder die der Philosophie, die Verlogenheit der Religionen und nicht zuletzt und vor allem die Verlogenheit der Kunst.


Quelle: "Fletcher's Zynisches Wörterbuch oder Zaungarstige Gedanken"
© Werner Fletcher
Werner Fletcher