N wie Nachhaltigkeit

Nehmen wir doch einmal den abgeschmackten Begriff ‚nachhaltig’ unter die Lupe kritischen Beleuchtens. Was beinhaltet dieser Begriff überhaupt ursprünglich? Was ist nachhaltig?
Nachhaltig ist zum Beispiel alles, was chronisch ist. Nachhaltig ist der Tinitus, der einem nachts den Schlaf raubt, nachhaltig ist der fade Geschmack im Mund nach einer durchzechten Nacht, nachhaltig ist das Gerücht, das uns Übles andichten will, nachhaltig ist die Verschuldung unseres Staates, nachhaltig sind die Insektizid-Rückstände in der Nahrungskette, nachhaltig ist radioaktive Verseuchung und – nicht zu vergessen – nachhaltig ist der Tod.
Wirtschaften nach sozialen, ethischen, moralischen und ökologischen Kriterien, so lautet eine andere Definition von Nachhaltigkeit. Aber die moralischen Kriterien in Europa sind andere als diejenigen in Südostasien, Mittelamerika oder Afrika. Und auf dem Balkan herrschen schon wieder andere Kriterien vor als in Mitteleuropa. Und diejenigen, die in Brasilien den Dschungel roden, auch sie haben ihre eigene ganz persönliche Vorstellung von der Nachhaltigkeit. Und schon Ihr Nachbar hat eine andere davon, als Sie es haben. Nur den eigentlichen Knackpunkt nachhaltigen Wirtschaftens, den sehen alle mehr oder weniger gleich an: nachhaltig in die eigene Tasche wirtschaften.
Das ganze Gerede von der Nachhaltigkeit ist doch nichts anderes als ein gigantischer Etikettenschwindel. Etwas Schwammigeres als den Begriff Nachhaltigkeit wird man wohl kaum finden können. Aber ist so ein Wort erst mal in Mode gekommen, dann schreitet sein Siegeszug unaufhaltsam voran, bis daß die Nachhaltigkeit irgendwann von einem anderen Trendwort abgelöst wird. Jeder kann sich das Etikett ‚nachhaltig’ selbst aufkleben, nach seinem eigenen Gutdünken, nach seinem eigenen Verständnis.
Wirklich nachhaltig ist langfristig gesehen nur die Veränderung, aber deren Ausmaß und Richtung vorherbestimmen zu wollen, ist und bleibt wohl für immer Utopie.